Der kleine Verwandlungsmotor No. 401
Verfasst: 26.04.2021 14:27
Hallo Märklin-Freunde,
kürzlich suchte ich nach Fotos von einem kleinen Verwandlungsmotor aus den frühen 1920er Jahren. Ich hatte bereits im Freundeskreis danach gefragt, als ich feststellte, daß ich selbst so einen Dampfmotor besitze. Ich hatte es total vergessen, weil ich den Kauf damals, ohne ihn weiter zu untersuchen, ins Regal stellte, um lästigen SWMBO-Nachfragen zu entgehen.
Nun also befaßte ich mich näher mit meinem kleinen Dampfmotor und erinnerte mich, daß ich mir schon damals eine Überarbeitung vorgenommen hatte, denn der Kessel sah nicht besonders schön aus:
. .
Es sind keine Kratzer im Kessel (was ich vor dem Kauf erfragte), er wurde offenbar nur mit ungeeigneten Mitteln „gereinigt” und zeigte danach diese üblen Streifenmuster. Die Nachfrage bei einem versierten Dampfmaschinen-Sammler half mir auch nicht weiter, denn er riet mir davon ab, den Kessel mit scharfen Mitteln blank zu machen, was ohnehin nicht mein Ziel war.
Also versuchte ich zunächst das bei Uhrmachern beliebte ELMA-Reinigungsmittel an den besonders schlimmen Stellen mit einem getränkten Lappen anzuwenden. Der Erfolg war, daß die hellen Partien noch heller wurden, während die dunklen Stellen kaum aufhellten, der Kontrast also höher und die Streifen noch deutlicher sichtbarer wurden.
Nun entschloß ich mich, entgegen meiner anfänglichen Absicht, den Kessel doch gründlich zu reinigen. Dazu aber mußte das Maschinchen zerlegt werden, daran führte nun kein Weg mehr vorbei.
Zunächst beschäftigte ich mich mit der Demontage des Schwungrades. Eine davor geschraubte Mutter war gleich gelöst, aber das Schwungrad oder das davor angebrachte kleine Schnurrad konnten nicht dazu bewegt werden, sich gegenüber der Welle auch nur 1/100 Millimeter zu verdrehen. Dazu habe ich, um das Schnurrad nicht zu beschädigen, ein Stück U-fömig gebogenen 4 qmm Kupferdraht in die Nut gelegt, mit einer Parallelbackenzange zugepackt und dabei das Schwungrad von Hand gehalten.
Ich kam zu der Erkenntnis, daß Schwungrad und Schnurrolle offenbar ein Bauteil sind und wandte mich der anderen Seite der Kurbelwelle zu:
Die Schraube, die den Pleuel mit dem Kurbelarm verbindet war dann gleich gelöst und der Kolben mit Pleuelstange konnte aus dem Zylinder gezogen und auf die Seite gelegt werden. Nun ließ sich der auf das Gewindeende der Kurbelwelle geschraubte Kurbelarm abdrehen und die nachfolgende Exzenterscheibe abnehmen. Diese hat am Umfang einen 90° Kragen an den die Pleuelstange anstößt und den Exzenter dadurch, je nach Drehrichtung in die optimale Position für die Schiebersteuerung bringt. Dieses intelligent ersonnene Bauteil erlaubt den Zusammenbau der Maschine ohne aufwendige Justierung, der deshalb von angelernten Arbeitskräften durchgeführt werden konnte.
Bevor der Schieber, der mit der exzenterbewegten Schieberschubstange aus dem Schieberkasten gezogen werden kann, muß die Kurbelwelle etwas herausgezogen werden. Dazu muß die innen auf die Kurbelwelle geschraubte runde Scheibe ein Stück weit herausgeschraubt werden. Diese Scheibe bildet die Kontermutter zum Kurbelarm und bestimmt durch ihren Sitz das Spiel der Kurbelwelle in axialer Richtung.
Nun waren die an den Kessel geschraubten schwarzen Teile – der obere Teil der Feuerbüchse und das Kurbelwellenlager mit Stütze für den Zylinder – zu entfernen. Dazu habe ich die der Feuerungshitze ausgesetzten Schraubenmuttern zwei Tage vorher mit einem Kriechöl besprüht, damit sie sich leichter lösen sollten. Das hat, bis auf eine, die trotz aller Vorsicht abgerissen ist, funktioniert. Natürlich ist eine Schraube abgerissen, deren Mutter an einer Kesselnaht eingelötet ist. Ich konnte sie ausbohren und in die Öffnung ein 1/10 mm größeres M3 Gewinde schneiden. Nach Abschrauben der Füllschraube und des Probenhahns für den Wasserstand lag der Kessel mit über die Dampfleitung angelötetem Schieberkasten und Zylinder vor mir.
. .
Nun begann ich den Kessel mit einem ELMA-getränkten Lappen abzureiben und stellte bald fest, daß diese Methode nicht zielführend ist. Deshalb legte ich ihn ganz in das Reinigungsmittel ein, nicht ohne zuvor an einem Probestück die Wirkung einer Patinierlösung für Messing ausprobiert zu haben. Nach zweistündigem Bad habe ich den Kessel aus der Reinigungslösung genommen, gründlich mit warmem Wasser abgespült und dann für eine halbe Stunde in ein Entfettungsbad gelegt. Es folgte ein zweiter Spülgang und danach das Eintauchen in die Patinierlösung für eine knappe Minute.
Die Färbung beginnt nach ca. 30 Sekunden und schreitet dann sehr schnell fort. Nach dem Herausnehmen wurde wieder abgespült. Der Kessel war nun in verschiedenen Graden dunkel gefäbt. Wo er mir zu hell erschien, legte ich ein Stückchen Küchenpapier auf, tränkte es mit der Färbelösung und wartete, bis der gewünschte Ton erreicht war. Für eine 100 Jahre alte Dampfmaschine sieht der Kessel meiner Meinung nach durchaus glaubhaft aus.
Die Schrauben zum Befestigen der schwarzen Teile habe ich mit Kupferpaste versehen, damit sie sich bei Bedarf leichter lösen lassen. Die Montage der gereinigten und neu eingefetteten Teile Kurbelwelle, Schieber, Kolben samt Kleinteilen war ein wenigen Minuten erledigt. Mit Einschrauben des neu eingedichteten Probenhahns und der Füllschraube war die Aktion beendet. Die Maschine ist weiter unten zu sehen.
Jetzt stelle ich zunächst den Kasten No. 401 vor:
. Das ist der von oben aufgenommene, 280 x 180 x 110 (L x B x H in mm) große Kasten des Verwandlungsmotors No. 401.
. So sieht der sehr gut erhaltene Kasten von innen aus. Zur Restaurierung mußte nur die gerissene Lasche zum Herausheben des kleinen Einsatzes repariert werden. Die blecherne Schraubendose gehört zwar nicht in diesen Kasten von 1920, ist aber sehr zweckmäßig zum Aufbewahren der 10 Schrauben und 8 Stellringe. Das Anleitungsheft No. 72 im Deckel hat auf der Innenseite des Deckblatts den Druckvermerk Ausgabe 201.
. Hier sieht man in das Fach unter dem jetzt herausgenommenen Einsatz und in die geöffnete Schraubendose.
. Hier der Verwandlungsmotor in der Anordnung als fahrende, stehende und liegende Dampfmaschine, wie er auch in den Anleitungen präsentiert wird.
Gruß
Norbert
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Nachtrag:
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Im Laufe der Zeit wurde diese Dampfmaschine mehrfach geändert:
- ca. 1924 bekam sie eine Dampfpfeife und eine zahnradgetriebene Vorgelegewelle mit einem Schnurrad auf der rechten Seite
- ca. 1928 erhielt der Kessel am rückseitigen Rand links und rechts je zwei große Löcher zur Verbesserung der Luftzufuhr
- ab 1929 gab es diese Maschine wahlweise mit farbigen Teilen: roter Sockel und grünes Maschinenbett auf dem Kessel
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kürzlich suchte ich nach Fotos von einem kleinen Verwandlungsmotor aus den frühen 1920er Jahren. Ich hatte bereits im Freundeskreis danach gefragt, als ich feststellte, daß ich selbst so einen Dampfmotor besitze. Ich hatte es total vergessen, weil ich den Kauf damals, ohne ihn weiter zu untersuchen, ins Regal stellte, um lästigen SWMBO-Nachfragen zu entgehen.
Nun also befaßte ich mich näher mit meinem kleinen Dampfmotor und erinnerte mich, daß ich mir schon damals eine Überarbeitung vorgenommen hatte, denn der Kessel sah nicht besonders schön aus:
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Es sind keine Kratzer im Kessel (was ich vor dem Kauf erfragte), er wurde offenbar nur mit ungeeigneten Mitteln „gereinigt” und zeigte danach diese üblen Streifenmuster. Die Nachfrage bei einem versierten Dampfmaschinen-Sammler half mir auch nicht weiter, denn er riet mir davon ab, den Kessel mit scharfen Mitteln blank zu machen, was ohnehin nicht mein Ziel war.
Also versuchte ich zunächst das bei Uhrmachern beliebte ELMA-Reinigungsmittel an den besonders schlimmen Stellen mit einem getränkten Lappen anzuwenden. Der Erfolg war, daß die hellen Partien noch heller wurden, während die dunklen Stellen kaum aufhellten, der Kontrast also höher und die Streifen noch deutlicher sichtbarer wurden.
Nun entschloß ich mich, entgegen meiner anfänglichen Absicht, den Kessel doch gründlich zu reinigen. Dazu aber mußte das Maschinchen zerlegt werden, daran führte nun kein Weg mehr vorbei.
Zunächst beschäftigte ich mich mit der Demontage des Schwungrades. Eine davor geschraubte Mutter war gleich gelöst, aber das Schwungrad oder das davor angebrachte kleine Schnurrad konnten nicht dazu bewegt werden, sich gegenüber der Welle auch nur 1/100 Millimeter zu verdrehen. Dazu habe ich, um das Schnurrad nicht zu beschädigen, ein Stück U-fömig gebogenen 4 qmm Kupferdraht in die Nut gelegt, mit einer Parallelbackenzange zugepackt und dabei das Schwungrad von Hand gehalten.
Ich kam zu der Erkenntnis, daß Schwungrad und Schnurrolle offenbar ein Bauteil sind und wandte mich der anderen Seite der Kurbelwelle zu:
Die Schraube, die den Pleuel mit dem Kurbelarm verbindet war dann gleich gelöst und der Kolben mit Pleuelstange konnte aus dem Zylinder gezogen und auf die Seite gelegt werden. Nun ließ sich der auf das Gewindeende der Kurbelwelle geschraubte Kurbelarm abdrehen und die nachfolgende Exzenterscheibe abnehmen. Diese hat am Umfang einen 90° Kragen an den die Pleuelstange anstößt und den Exzenter dadurch, je nach Drehrichtung in die optimale Position für die Schiebersteuerung bringt. Dieses intelligent ersonnene Bauteil erlaubt den Zusammenbau der Maschine ohne aufwendige Justierung, der deshalb von angelernten Arbeitskräften durchgeführt werden konnte.
Bevor der Schieber, der mit der exzenterbewegten Schieberschubstange aus dem Schieberkasten gezogen werden kann, muß die Kurbelwelle etwas herausgezogen werden. Dazu muß die innen auf die Kurbelwelle geschraubte runde Scheibe ein Stück weit herausgeschraubt werden. Diese Scheibe bildet die Kontermutter zum Kurbelarm und bestimmt durch ihren Sitz das Spiel der Kurbelwelle in axialer Richtung.
Nun waren die an den Kessel geschraubten schwarzen Teile – der obere Teil der Feuerbüchse und das Kurbelwellenlager mit Stütze für den Zylinder – zu entfernen. Dazu habe ich die der Feuerungshitze ausgesetzten Schraubenmuttern zwei Tage vorher mit einem Kriechöl besprüht, damit sie sich leichter lösen sollten. Das hat, bis auf eine, die trotz aller Vorsicht abgerissen ist, funktioniert. Natürlich ist eine Schraube abgerissen, deren Mutter an einer Kesselnaht eingelötet ist. Ich konnte sie ausbohren und in die Öffnung ein 1/10 mm größeres M3 Gewinde schneiden. Nach Abschrauben der Füllschraube und des Probenhahns für den Wasserstand lag der Kessel mit über die Dampfleitung angelötetem Schieberkasten und Zylinder vor mir.
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Nun begann ich den Kessel mit einem ELMA-getränkten Lappen abzureiben und stellte bald fest, daß diese Methode nicht zielführend ist. Deshalb legte ich ihn ganz in das Reinigungsmittel ein, nicht ohne zuvor an einem Probestück die Wirkung einer Patinierlösung für Messing ausprobiert zu haben. Nach zweistündigem Bad habe ich den Kessel aus der Reinigungslösung genommen, gründlich mit warmem Wasser abgespült und dann für eine halbe Stunde in ein Entfettungsbad gelegt. Es folgte ein zweiter Spülgang und danach das Eintauchen in die Patinierlösung für eine knappe Minute.
Die Färbung beginnt nach ca. 30 Sekunden und schreitet dann sehr schnell fort. Nach dem Herausnehmen wurde wieder abgespült. Der Kessel war nun in verschiedenen Graden dunkel gefäbt. Wo er mir zu hell erschien, legte ich ein Stückchen Küchenpapier auf, tränkte es mit der Färbelösung und wartete, bis der gewünschte Ton erreicht war. Für eine 100 Jahre alte Dampfmaschine sieht der Kessel meiner Meinung nach durchaus glaubhaft aus.
Die Schrauben zum Befestigen der schwarzen Teile habe ich mit Kupferpaste versehen, damit sie sich bei Bedarf leichter lösen lassen. Die Montage der gereinigten und neu eingefetteten Teile Kurbelwelle, Schieber, Kolben samt Kleinteilen war ein wenigen Minuten erledigt. Mit Einschrauben des neu eingedichteten Probenhahns und der Füllschraube war die Aktion beendet. Die Maschine ist weiter unten zu sehen.
Jetzt stelle ich zunächst den Kasten No. 401 vor:
. Das ist der von oben aufgenommene, 280 x 180 x 110 (L x B x H in mm) große Kasten des Verwandlungsmotors No. 401.
. So sieht der sehr gut erhaltene Kasten von innen aus. Zur Restaurierung mußte nur die gerissene Lasche zum Herausheben des kleinen Einsatzes repariert werden. Die blecherne Schraubendose gehört zwar nicht in diesen Kasten von 1920, ist aber sehr zweckmäßig zum Aufbewahren der 10 Schrauben und 8 Stellringe. Das Anleitungsheft No. 72 im Deckel hat auf der Innenseite des Deckblatts den Druckvermerk Ausgabe 201.
. Hier sieht man in das Fach unter dem jetzt herausgenommenen Einsatz und in die geöffnete Schraubendose.
. Hier der Verwandlungsmotor in der Anordnung als fahrende, stehende und liegende Dampfmaschine, wie er auch in den Anleitungen präsentiert wird.
Gruß
Norbert
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Nachtrag:
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Im Laufe der Zeit wurde diese Dampfmaschine mehrfach geändert:
- ca. 1924 bekam sie eine Dampfpfeife und eine zahnradgetriebene Vorgelegewelle mit einem Schnurrad auf der rechten Seite
- ca. 1928 erhielt der Kessel am rückseitigen Rand links und rechts je zwei große Löcher zur Verbesserung der Luftzufuhr
- ab 1929 gab es diese Maschine wahlweise mit farbigen Teilen: roter Sockel und grünes Maschinenbett auf dem Kessel
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