Wie man Kardangelenke richtig einsetzt

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Norbert Germany
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Wie man Kardangelenke richtig einsetzt

#305

Beitrag von Norbert »

Hallo Schrauber,

zur Veranschaulichung der korrekten Anwendung von Kardangelenken (auch Kreuzgelenke genannt), habe ich drei Modelle gebaut mit deren Hilfe ich die richtige Anwendung demonstrieren will.
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Kardanfehler-01_#1243ff.jpg
Das Bild zeigt zwei identisch aufgebaute Übertragungsstrecken mit je vier Kardangelenken.
Drehen der links angebrachten roten Kurbel dreht auch die Zeiger rechts in gleichem Sinn, jedoch mit unterschiedlicher Drehung: eine Wirkung des Kardanfehlers.
Von Bild zu Bild ist die Kurbel um 90° weitergedreht. Beim roten Pfeil stellt man fest, daß er der Drehung der Kurbel zunächt nachhinkt, aber nach 180° wieder dieselbe Richtung wie die Kurbel hat. Das bedeutet, der Pfeil dreht zunächst langsamer als die Kurbel und dann schneller, um sie nach 180° wieder eingeholt zu haben. Die Ausgangswelle wird also während einer Umdrehung 2 x abgebremst und wieder beschleunigt. Das ergibt eine Unwucht, die sich beim schnellen Kurbeln so äußert, so daß man nicht in der Lage ist, gleichmäßig zu drehen, weil der Widerstand durch Bremsen und Beschleunigen umso größer wird, je höher die Drehzahl ist.
Ganz anders bei dem rechts gezeigten Modell mit grüner Kurbel und grünem Pfeil. Hier scheint die Bewegung des Pfeils gleichförmig zu sein.
Um herauszufinden, warum das so ist, betrachten wir zunächst einmal ein einzelnes Gelenk:
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Kardanfehler-02.jpg
Das linke Diagramm zeigt den Drehwinkel der Abtriebswelle (W2) eines Kardangelenks gegenüber der Antriebswelle (W1).
Im rechten Diagramm ist die momentane Drehgeschwindigkeit von W2 relativ zu W1 dargestellt (Wikipedia).
Die Abweichung vom Idealwert wächst mit dem Knickwinkel des Gelenks, so daß die Welle W2 bei 60° Knickwinkel während einer Umdrehung 2x halb so schnell und 2x doppelt so schnell dreht als W1. Nun ist 60° sehr viel, aber auch bei 45° ist die Abweichung bereits beträchtlich.
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Kardanfehler-03_#1216a.jpg
Beim rot gekennzeichneten Modell sind auf allen drei Verbindungswellen die Gabeln der Gelenke senkrecht zueinander angeordnet. Dies vergrößert den Kardanfehler von Gelenk zu Gelenk, so daß am Ende eine maximale Winkelabweichung von ca. 30° und eine Geschwindigkeitsänderung im Bereich von 1/8 bis zum 8-fachen der Kurbel entsteht. Und das 2x pro Umdrehung!
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Kardanfehler-04_#1214a.jpg
Beim grün gekennzeichneten Modell sind auf allen drei Verbindungswellen die Gabeln der Gelenke parallel zueinander angeordnet.
Das bewirkt die Kompensation des Kardanfehlers; jedes Gelenk macht die Winkel- und Geschwindigkeitsfehler des Vorgängers wieder rückgängig.
Die einzelnen Wellenabschnitte laufen zwar nicht gleichförmig, aber die Fehler bleiben von Abschnitt zu Abschnitt gleich und werden nicht größer.
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Kardanfehler-05 SM-04_Giant_Blocksetting_Crane.jpg
Das Bild zeigt aus einer Bauanleitung den Fahrwerksantrieb des Giant Blocksetting Crane, Meccano Super Model Nr. 4. Hier sind die Gelenke falsch orientiert. Weil die Ablenkwinkel klein sind, sind auch die Gleichlauffehler unbedeutend und deshalb fällt es bei der Masse des Krans und seiner geringen Fahrgeschwindgkeit auch kaum auf.
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Kardanfehler-06_#1241a.jpg
Aber Achtung: Die Regel mit den parallel ausgerichteten Gabeln gilt nur, wenn alle Wellen in einer Ebene liegen.
Bei diesem Modell stehen die durch zwei benachbarten Wellen gebildeten Ebenen senkrecht aufeinander, d.h. die Ebene definiert durch die Wellen 1 & 2 ist senkrecht zur Ebene definiert durch die Wellen 2 & 3 usw.
In diesem Fall ist die 90° Anordnung der Gabeln eines Wellenabschnitts richtig, um eine Kompensation der Fehler zu erzielen.
Bei anderen geometrischen Verhältnissen sind auch andere Orientierungen benachbarter Gelenke erforderlich.
In der Praxis kann man das experimentell bestimmen, indem man die Wellen an einer Stelle mit vier um 90°versetzten Punkten markiert und dann die Abweichungen nach einer 90° Drehung korrigiert.
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Kardanfehler-07_#1211a.jpg
Zum Vergleich alle Aufbauten in einem Bild, hier mit den Kurbeln in Ausgangsstellung. Die Kardanwinkel sind bei allen 12 Gelenken gleich, nämlich 45° (zumindest annähernd).
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Kardanfehler-08_#1223a.jpg
Hier wird ersichtlich, daß der Kardanfehler beim 3. Modell tatsächlich kompensiert ist.
Trotzdem bewegen sich die Zwischenwellen immer ungleichförmig, was höheren Drehgeschwindigkeiten in der Praxis eine Grenze setzt.
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Günther Germany
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Re: Wie man Kardangelenke richtig einsetzt

#306

Beitrag von Günther »

Guten Morgen Norbert,

einfach Klasse wie Du mit diesen Modellen zeigst wie man Kardangelenke einsetzt.
Der gleichen Ansicht wegen hätte ich die Gelenke eventuell richtig eingebaut, erst
jetzt weis ich das es sonst zu Übertragungsfehler kommt.

Gruß
Günther
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