Kleine Uhr: MÄRKLIN Werbemodell BK 5
Verfasst: 05.06.2021 18:36
In den 1950er Jahren ließ MÄRKLIN seine Werbemethode aus den 1930ern für kurze Zeit wieder aufleben und bot den Händlern Metallbaukasten-Modelle als Blickfang für ihre Schaufenster an.
. 1953/54 wurde unter anderem das hier gezeigte Modell BK 5, Kleine Uhr, zum Preis von DM 350.- angeboten.
. Wirtschaftsminister Ludwig Erhard besucht den Märklin Stand auf der Nürnberger Spielwaren-Messe 1954.
Links hinter dem Minister Fritz Märklin, rechts neben ihm (mit Brille) Max Scheerer, Geschäftsführer bei Märklin und Aufsichtsratsvorsitzender der Nürnberger Messe. Im Hintergrund ist die Kleine Uhr zu sehen.
Diese Uhr war vor Jahren einmal Gegenstand einer Diskussion in der Metallbaukasten Mailing List, wobei sich niemand meldete, der diese Uhr schon einmal gesehen hatte.
Dank der Großzügigkeit von Norwin Rietsch, der die folgenden Fotos zur Verfügung stellt, bin ich nun in der Lage, mehr über diese Uhr berichten zu können.
. In diesem Zustand wurde die Uhr im Dezember 2007 auf einer Antiquitäten-Messe in Zürich erworben.
. Der Aufsatz mit Großem Rad und 16 Lämpchen – abwechselnd zwei rote und zwei grüne – ist von einer dicken Staubschicht bedeckt.
Weil sämtlich Lagerstellen durch verharztes Öl blockiert waren, entschloss sich der Käufer, die Uhr zu zerlegen, um sie reinigen und anschließend wieder in Gang setzen zu können. Die folgenden Bilder wurden bei der Demontage aufgenommen, um die Anordnung der Antriebselemente zu dokumentieren.
. Vorderseite der Uhr mit abgenommenem MÄRKLIN Schriftzug auf Opalglas, der von hinten mit acht Lämpchen beleuchtet wird.
. Nach Entfernung der Rückwand bot sich dieser Blick auf die Rückseite der Uhr. Oben die Welle des Minutenzeigers, unten der elektrische Antrieb der Uhr, ein 50 Hz Synchronmotor. Das runde Gehäuse enthält ein Planetengetriebe zur Reduktion der Motordrehzahl auf eine Umdrehung pro Minute. Allerdings ist der Motor um 180° verdreht eingebaut, denn der Wellenstummel muß ins Innere der Uhr zeigen. Das ist auch an den beiden Befestigungslöchern neben den 4-Loch Winkelträgern zu sehen, wo der Lack durch die Befestigungsmuttern gelitten hat.
Nun wenden wir uns zunächst dem Antriebsmotor zu.
. Hier der für Uhren konzipierte elektrische Antrieb, der aus zwei Synchronmotoren besteht, die auf eine gemeinsame Welle arbeiten. Diese Kaskadierung bewirkt eine Verdopplung des Drehmomentes, was bei den nachfolgenden Metallbaukasten-Übersetzungen sinnvoll ist, da diese nicht mit Uhrmacher-Präzision herstellbar sind.
. Das ist die Feldwicklung auf dem Joch der Statorbleche des Synchronmotors, der dem Getriebe benachbart ist. Es ist ein zweipoliger Motor, das heißt, bei pro Wechselstrom-Periode dreht sich der Anker genau einmal um 360°. Bei 50 Hz Netzfrequenz sind das also 50 Umdrehungen per Sekunde oder 3.000 Umdrehungen in der Minute, weshalb die Wicklung mit „30” beschriftet ist. Ferner ist sie für einen Nennspannung von 20 Volt Wechselstrom ausgelegt, wie die Aufschrift angibt.
Die beiden durch Luftspalt getrennten Pole sind aus Blechpaketen geformt, die nur 2 x 90° abdecken. Die andern 2 x 90° werden von separaten Blechpaketen gebildet, die unter Zwischenlage von eisernen Distanzstücken an dem umfassenden Statorpaket befestigt sind. Dadurch ergibt sich für diesen Arm ein höherer magnetischer Widerstand der dafür sorgt, daß der Rotor immer in derselben Drehrichtung anläuft, was bei gleich aufgebauten Armen nicht der Fall wäre.
Grüne Farbspuren auf den Stator zeigen, daß die 4-Loch Winkelträger, so wie gezeigt, falsch angeschraubt sind.
. Das ist die Feldwicklung des zweiten Motors, der vollkommen gleich mit dem ersten Motor ist. In der Mitte der Aluminium-Traverse ist das äußere Lager der Ankerwelle eingelassen.
. Das andere Ende der Ankerwelle endet in dem gekapselten Gehäuse des Vorgeleges. Dieses Getriebe setzt die Drehgeschwindigkeit der Motoren von 3000 U/min auf 1 U/min herab.
Damals konnte die Netzfrequenz so stabil gehalten werden, daß die maximal auftretenden Abweichungen weniger als 1/10 Sekunde betrugen. Das ist heute wegen der vielen volatilen Quellen nicht mehr möglich, wodurch sich Abweichungen bis zu ±20 Sekunden aufsummieren können. Größere Abweichungen werden durch Änderung der Sollfrequenz um 1/10 Hz allmählich wieder abgebaut, so daß die Netzfrequenz 50 Hz nur noch im Langzeitmittel konstant ist.
. Hier ist der Anschluß des doppelten Synchronmotors zu sehen. Die beiden Feldspulen werden so parallel geschaltet, daß sich die Drehkräfte addieren. Das Bild zeigt das Modell nach der Überarbeitung durch den Besitzer. Die beiden 4-Loch Winkelträger sind nun an der richtigen Seite des Motors befestigt.
Wir betrachten nun die Getriebe für das Uhrwerk in etwas anderer Reihenfolge, als sie beim Zerlegen fotografiert worden sind.
. Die querlaufende Welle – fortan als S(ekunden)-Welle bezeichnet – ist die Antriebswelle für das Uhrwerk und die Lampensteuerung. Mit der rechts sichtbaren Meccano Universal Coupling #140 wird sie an den Wellenstummel des Synchronmotor-Getriebes angeschlossen.
Warum Märklin diese Verbindung und nicht das eigene,wesentlich robustere Kugelgelenk #210 benutzt hat, ist nicht direkt ersichtlich. Wahrscheinlich ist es wegen der größeren Länge – 40 mm bei #140 und 28 mm bei #210 – benutzt worden, um eine nicht standardmäßige S-Wellenlänge zu vermeiden.
Hier sieht man deutlich den Fehler, der selbst von Märklins Konstrukteuren immer wieder gemacht wurde: Wellen werden mit zwei gegenüberliegenden Stellschrauben in den Naben oder Kupplungen befestigt.
Der vermeintliche Gewinn an Festigkeit ist nur scheinbar, denn die beiden Stellschrauben bilden eine Achse, um die sich die Welle im Rahmen der Bohrungstoleranz drehen kann, wodurch sich die Schrauben mit der Zeit lockern können. Technisch besser ist die Verwendung nur einer Stellschraube, weil sie die Welle an die gegenüberliegende Wand der Bohrung preßt und damit keine Bewegung in der Bohrung zulässt.
Das große 95Z Zahnrad #31/95 ist das Antriebsrad für die Lampensteuerung, die später eingehend betrachtet werden wird.
Die daneben befestigte Schnecke #32 treibt ein 30Z Ritzel #25/30, dessen Achse schräg nach oben zur M(inuten)-Welle der Uhr führt.
. Die S-Welle ragt unten aus dem Ziffernblatt heraus und trägt einen aufgesteckten Sekundenzeiger, der sich über einem kleinen, in weißer Farbe aufgemalten Ring mit 5-Sekunden Einteilungen dreht.
. Die nach oben führende Antriebswelle treibt die M-Welle über ein 25Z Ritzel #25/25, das mit den 50Z Kronrad #28/50 kämmt. Diese 1:2 Übersetzung ergibt zusammen mit der Schnecke #32 und dem 30Z Ritzel #25/30 eine 1:60 Übersetzung, das heißt nach 60 Umdrehungen der S-Welle hat sich die M-Welle genau einmal gedreht.
. Hier der Antrieb der M-Welle aus einer etwas höheren Warte betrachtet. Auch der Antrieb der Lampensteuerung ist links unten gut zu sehen.
. Das die M-Welle treibende Kronrad #28/50 ist nicht direkt, sondern über eine Rutschkupplung mit dieser Welle verbunden. So kann man durch Drehen am Minutenzeiger die Uhrzeit einstellen. Das kleine Kronrad #28/25 und der kleine Autoreifen #209/22 auf dem Schnurlaufrad #22 klemmen das große Kronrad über acht lange Schrauben #37 ein.
Im Vordergrund ist das Getriebe für den Stundenzeiger zu sehen, der auf einer Hohlwelle befestigt wird. Die dazu verwendeten Zahnräder sind altbekannte Teile aus dem Uhrenkasten #102 der 1920er und 1930er Jahre, nämlich
– No. 223 Wechselrad mit 7 Lochband
– No. 224 Wechselrad mit Zeigerrohr und Kurbelarmen
. „Das Zeigerrohr”, im Bild groß zu sehen, sind zwei übereinander geschobene Hohlrohre von 5,0 mm bzw. 6,4 mm Außendurchmesser. Das innere Rohr trägt am Ende ein 12Z Ritzel, das mit dem 36Z Zahnrad des Wechselrads kämmt. Es wird am anderen Ende mit der Stellschraube des Minutenzeiger auf das Ende der M-Welle geklemmt.
Das äußere Rohr hat am Ende ein 40Z Zahnrad, welches in das 10Z Ritzel des Wechselrads eingreift. Auf diesem Rohr wird vorne der Stundenzeiger befestigt.
Die Übersetzung von innerer zu äußerer Hohlwelle ist demnach 12Z / 36Z • 10Z / 40Z = ⅓ • ¼ = 1 / 12, wie es sein muß.
. Die speziell angefertigten Zeiger haben Stellringe unterschiedlichen Innendurchmessers. Der äußere ist der Minutenzeiger, der innere der Stundenzeiger.
Nun wenden wir uns dem Antrieb zur Schaltung der Lämpchen im sternförmigen Uhraufsatz zu.
. Die Schaltwelle wird über ein dreistufiges Getriebe von der S-Welle angetrieben. Die Übersetzung ist wie folgt:
1. 95Z Zahnrad #31/95 treibt ein 19Z Ritzel 25/19
2. 57Z Zahnrad #27/57 treibt ein 19Z Ritzel 25/19
3. 50Z Zahnrad #27/50 treibt ein 25Z Ritzel 25/25
Damit ist die Übersetzung 95Z / 19Z • 57Z / 19Z • 50Z / 25Z = 5 • 3 • 2 = 30. Die Schaltwelle dreht sich also 30 mal schneller als die S-Welle, das ist ein Mal in zwei Sekunden.
. Der Lampenschalter ist nach dem Prinzip des bald darauf eingeführten Kollektors mit Bürstenbrücke, #1312/1G, aufgebaut. Ein rotierender, federbelasteter Kontaktstift berührt reihum jedes der acht voneinander isolierten Felder des Kollektors und verbindet es für die Dauer des Kontakts mit der Gerätemasse. Acht grüne Kabel führen zu den acht roten und acht grünen Lämpchen des Aufsatzes. Bei richtiger Verkabelung leuchten reihum zwei Lämpchen auf und scheinen rot-grün wechselnd umzulaufen.
Die Funktion des Lochscheibenrads mit dem in einem Loch befestigten Stellring ist nicht ganz klar. Vielleicht hat es eine Mitnehmer-Funktion für den Fall, daß sich die Bürstenbrücke auf der Welle löst, denn deren Stellschraube ist für einen Schraubendreher fast unerreichbar.
Abschließend noch zwei Bilder der gereinigten und wieder gangbar gemachten Uhr, die wie vorgesehen mit dem 16 V≈ Lichtanschluß des Eisenbahn-Transformators #280A betrieben werden kann.
. Die Rückseite der im Jahr 2008 restaurierten Uhr.
. .
Der Nachbau anhand der hier gezeigten Bilder dürfte für einen versierten Schrauber kein großes Problem darstellen.
Es würde mich freuen, wenn wir an dieser Stelle demnächst ein Replikat dieser Uhr zu sehen bekämen.
Gruß
Norbert
. 1953/54 wurde unter anderem das hier gezeigte Modell BK 5, Kleine Uhr, zum Preis von DM 350.- angeboten.
. Wirtschaftsminister Ludwig Erhard besucht den Märklin Stand auf der Nürnberger Spielwaren-Messe 1954.
Links hinter dem Minister Fritz Märklin, rechts neben ihm (mit Brille) Max Scheerer, Geschäftsführer bei Märklin und Aufsichtsratsvorsitzender der Nürnberger Messe. Im Hintergrund ist die Kleine Uhr zu sehen.
Diese Uhr war vor Jahren einmal Gegenstand einer Diskussion in der Metallbaukasten Mailing List, wobei sich niemand meldete, der diese Uhr schon einmal gesehen hatte.
Dank der Großzügigkeit von Norwin Rietsch, der die folgenden Fotos zur Verfügung stellt, bin ich nun in der Lage, mehr über diese Uhr berichten zu können.
. In diesem Zustand wurde die Uhr im Dezember 2007 auf einer Antiquitäten-Messe in Zürich erworben.
. Der Aufsatz mit Großem Rad und 16 Lämpchen – abwechselnd zwei rote und zwei grüne – ist von einer dicken Staubschicht bedeckt.
Weil sämtlich Lagerstellen durch verharztes Öl blockiert waren, entschloss sich der Käufer, die Uhr zu zerlegen, um sie reinigen und anschließend wieder in Gang setzen zu können. Die folgenden Bilder wurden bei der Demontage aufgenommen, um die Anordnung der Antriebselemente zu dokumentieren.
. Vorderseite der Uhr mit abgenommenem MÄRKLIN Schriftzug auf Opalglas, der von hinten mit acht Lämpchen beleuchtet wird.
. Nach Entfernung der Rückwand bot sich dieser Blick auf die Rückseite der Uhr. Oben die Welle des Minutenzeigers, unten der elektrische Antrieb der Uhr, ein 50 Hz Synchronmotor. Das runde Gehäuse enthält ein Planetengetriebe zur Reduktion der Motordrehzahl auf eine Umdrehung pro Minute. Allerdings ist der Motor um 180° verdreht eingebaut, denn der Wellenstummel muß ins Innere der Uhr zeigen. Das ist auch an den beiden Befestigungslöchern neben den 4-Loch Winkelträgern zu sehen, wo der Lack durch die Befestigungsmuttern gelitten hat.
Nun wenden wir uns zunächst dem Antriebsmotor zu.
. Hier der für Uhren konzipierte elektrische Antrieb, der aus zwei Synchronmotoren besteht, die auf eine gemeinsame Welle arbeiten. Diese Kaskadierung bewirkt eine Verdopplung des Drehmomentes, was bei den nachfolgenden Metallbaukasten-Übersetzungen sinnvoll ist, da diese nicht mit Uhrmacher-Präzision herstellbar sind.
. Das ist die Feldwicklung auf dem Joch der Statorbleche des Synchronmotors, der dem Getriebe benachbart ist. Es ist ein zweipoliger Motor, das heißt, bei pro Wechselstrom-Periode dreht sich der Anker genau einmal um 360°. Bei 50 Hz Netzfrequenz sind das also 50 Umdrehungen per Sekunde oder 3.000 Umdrehungen in der Minute, weshalb die Wicklung mit „30” beschriftet ist. Ferner ist sie für einen Nennspannung von 20 Volt Wechselstrom ausgelegt, wie die Aufschrift angibt.
Die beiden durch Luftspalt getrennten Pole sind aus Blechpaketen geformt, die nur 2 x 90° abdecken. Die andern 2 x 90° werden von separaten Blechpaketen gebildet, die unter Zwischenlage von eisernen Distanzstücken an dem umfassenden Statorpaket befestigt sind. Dadurch ergibt sich für diesen Arm ein höherer magnetischer Widerstand der dafür sorgt, daß der Rotor immer in derselben Drehrichtung anläuft, was bei gleich aufgebauten Armen nicht der Fall wäre.
Grüne Farbspuren auf den Stator zeigen, daß die 4-Loch Winkelträger, so wie gezeigt, falsch angeschraubt sind.
. Das ist die Feldwicklung des zweiten Motors, der vollkommen gleich mit dem ersten Motor ist. In der Mitte der Aluminium-Traverse ist das äußere Lager der Ankerwelle eingelassen.
. Das andere Ende der Ankerwelle endet in dem gekapselten Gehäuse des Vorgeleges. Dieses Getriebe setzt die Drehgeschwindigkeit der Motoren von 3000 U/min auf 1 U/min herab.
Damals konnte die Netzfrequenz so stabil gehalten werden, daß die maximal auftretenden Abweichungen weniger als 1/10 Sekunde betrugen. Das ist heute wegen der vielen volatilen Quellen nicht mehr möglich, wodurch sich Abweichungen bis zu ±20 Sekunden aufsummieren können. Größere Abweichungen werden durch Änderung der Sollfrequenz um 1/10 Hz allmählich wieder abgebaut, so daß die Netzfrequenz 50 Hz nur noch im Langzeitmittel konstant ist.
. Hier ist der Anschluß des doppelten Synchronmotors zu sehen. Die beiden Feldspulen werden so parallel geschaltet, daß sich die Drehkräfte addieren. Das Bild zeigt das Modell nach der Überarbeitung durch den Besitzer. Die beiden 4-Loch Winkelträger sind nun an der richtigen Seite des Motors befestigt.
Wir betrachten nun die Getriebe für das Uhrwerk in etwas anderer Reihenfolge, als sie beim Zerlegen fotografiert worden sind.
. Die querlaufende Welle – fortan als S(ekunden)-Welle bezeichnet – ist die Antriebswelle für das Uhrwerk und die Lampensteuerung. Mit der rechts sichtbaren Meccano Universal Coupling #140 wird sie an den Wellenstummel des Synchronmotor-Getriebes angeschlossen.
Warum Märklin diese Verbindung und nicht das eigene,wesentlich robustere Kugelgelenk #210 benutzt hat, ist nicht direkt ersichtlich. Wahrscheinlich ist es wegen der größeren Länge – 40 mm bei #140 und 28 mm bei #210 – benutzt worden, um eine nicht standardmäßige S-Wellenlänge zu vermeiden.
Hier sieht man deutlich den Fehler, der selbst von Märklins Konstrukteuren immer wieder gemacht wurde: Wellen werden mit zwei gegenüberliegenden Stellschrauben in den Naben oder Kupplungen befestigt.
Der vermeintliche Gewinn an Festigkeit ist nur scheinbar, denn die beiden Stellschrauben bilden eine Achse, um die sich die Welle im Rahmen der Bohrungstoleranz drehen kann, wodurch sich die Schrauben mit der Zeit lockern können. Technisch besser ist die Verwendung nur einer Stellschraube, weil sie die Welle an die gegenüberliegende Wand der Bohrung preßt und damit keine Bewegung in der Bohrung zulässt.
Das große 95Z Zahnrad #31/95 ist das Antriebsrad für die Lampensteuerung, die später eingehend betrachtet werden wird.
Die daneben befestigte Schnecke #32 treibt ein 30Z Ritzel #25/30, dessen Achse schräg nach oben zur M(inuten)-Welle der Uhr führt.
. Die S-Welle ragt unten aus dem Ziffernblatt heraus und trägt einen aufgesteckten Sekundenzeiger, der sich über einem kleinen, in weißer Farbe aufgemalten Ring mit 5-Sekunden Einteilungen dreht.
. Die nach oben führende Antriebswelle treibt die M-Welle über ein 25Z Ritzel #25/25, das mit den 50Z Kronrad #28/50 kämmt. Diese 1:2 Übersetzung ergibt zusammen mit der Schnecke #32 und dem 30Z Ritzel #25/30 eine 1:60 Übersetzung, das heißt nach 60 Umdrehungen der S-Welle hat sich die M-Welle genau einmal gedreht.
. Hier der Antrieb der M-Welle aus einer etwas höheren Warte betrachtet. Auch der Antrieb der Lampensteuerung ist links unten gut zu sehen.
. Das die M-Welle treibende Kronrad #28/50 ist nicht direkt, sondern über eine Rutschkupplung mit dieser Welle verbunden. So kann man durch Drehen am Minutenzeiger die Uhrzeit einstellen. Das kleine Kronrad #28/25 und der kleine Autoreifen #209/22 auf dem Schnurlaufrad #22 klemmen das große Kronrad über acht lange Schrauben #37 ein.
Im Vordergrund ist das Getriebe für den Stundenzeiger zu sehen, der auf einer Hohlwelle befestigt wird. Die dazu verwendeten Zahnräder sind altbekannte Teile aus dem Uhrenkasten #102 der 1920er und 1930er Jahre, nämlich
– No. 223 Wechselrad mit 7 Lochband
– No. 224 Wechselrad mit Zeigerrohr und Kurbelarmen
. „Das Zeigerrohr”, im Bild groß zu sehen, sind zwei übereinander geschobene Hohlrohre von 5,0 mm bzw. 6,4 mm Außendurchmesser. Das innere Rohr trägt am Ende ein 12Z Ritzel, das mit dem 36Z Zahnrad des Wechselrads kämmt. Es wird am anderen Ende mit der Stellschraube des Minutenzeiger auf das Ende der M-Welle geklemmt.
Das äußere Rohr hat am Ende ein 40Z Zahnrad, welches in das 10Z Ritzel des Wechselrads eingreift. Auf diesem Rohr wird vorne der Stundenzeiger befestigt.
Die Übersetzung von innerer zu äußerer Hohlwelle ist demnach 12Z / 36Z • 10Z / 40Z = ⅓ • ¼ = 1 / 12, wie es sein muß.
. Die speziell angefertigten Zeiger haben Stellringe unterschiedlichen Innendurchmessers. Der äußere ist der Minutenzeiger, der innere der Stundenzeiger.
Nun wenden wir uns dem Antrieb zur Schaltung der Lämpchen im sternförmigen Uhraufsatz zu.
. Die Schaltwelle wird über ein dreistufiges Getriebe von der S-Welle angetrieben. Die Übersetzung ist wie folgt:
1. 95Z Zahnrad #31/95 treibt ein 19Z Ritzel 25/19
2. 57Z Zahnrad #27/57 treibt ein 19Z Ritzel 25/19
3. 50Z Zahnrad #27/50 treibt ein 25Z Ritzel 25/25
Damit ist die Übersetzung 95Z / 19Z • 57Z / 19Z • 50Z / 25Z = 5 • 3 • 2 = 30. Die Schaltwelle dreht sich also 30 mal schneller als die S-Welle, das ist ein Mal in zwei Sekunden.
. Der Lampenschalter ist nach dem Prinzip des bald darauf eingeführten Kollektors mit Bürstenbrücke, #1312/1G, aufgebaut. Ein rotierender, federbelasteter Kontaktstift berührt reihum jedes der acht voneinander isolierten Felder des Kollektors und verbindet es für die Dauer des Kontakts mit der Gerätemasse. Acht grüne Kabel führen zu den acht roten und acht grünen Lämpchen des Aufsatzes. Bei richtiger Verkabelung leuchten reihum zwei Lämpchen auf und scheinen rot-grün wechselnd umzulaufen.
Die Funktion des Lochscheibenrads mit dem in einem Loch befestigten Stellring ist nicht ganz klar. Vielleicht hat es eine Mitnehmer-Funktion für den Fall, daß sich die Bürstenbrücke auf der Welle löst, denn deren Stellschraube ist für einen Schraubendreher fast unerreichbar.
Abschließend noch zwei Bilder der gereinigten und wieder gangbar gemachten Uhr, die wie vorgesehen mit dem 16 V≈ Lichtanschluß des Eisenbahn-Transformators #280A betrieben werden kann.
. Die Rückseite der im Jahr 2008 restaurierten Uhr.
. .
Der Nachbau anhand der hier gezeigten Bilder dürfte für einen versierten Schrauber kein großes Problem darstellen.
Es würde mich freuen, wenn wir an dieser Stelle demnächst ein Replikat dieser Uhr zu sehen bekämen.
Gruß
Norbert