76 - x - x - x Schnurrolle mit Kupplung / Klauenkupplung

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Norbert Germany
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76 - x - x - x Schnurrolle mit Kupplung / Klauenkupplung

#2387

Beitrag von Norbert »

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Dieser Beitrag beginnt mit Bildern und Text, die bereits im Artikel zur Ausrückgabel No. 84 (viewtopic.php?f=8&t=491) zu diesem Bauteil veröffentlicht wurden.

Die Klauenkupplung Nr. 76 wurde bereits Anfang 1919 am 1" Schnurlaufrad Nr. 22 eingeführt und zuerst als
  • Nr. 76 Schnurrolle mit Kupplung
in der Beilage zum Anleitungheft No. 71 (= 1918er Ausgabe mit neuen Preisen gültig ab 1. Mai 1919) zusammen mit den anderen von Märklin erstmals selbst produzierten neuen Teilen vorgestellt:
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MMA_1919_#(72)-12k.jpg
Letzte Seite der Beilage zum Anleitungsheft No.71, erste Ausgabe 1919 (Ausgabe 191).

In der 2. Ausgabe dieses Heftes No. 71 mit eingedruckten Preisen, gültig ab 1. Nov 1919, hieß dieses Teil nur noch:
  • No. 76 Klauenkupplung
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MMA_1919-A2_#71-149r.jpg
Seite 149 des Anleitungsheftes Nr.71, zweite Ausgabe 1919 (Ausgabe 192).
In dem halben Jahr von Mai bis November 1919 stiegen die Preise dieser Teile um rund 40%.

Das Schnurlaufrad mit der Kupplungsnabe erhielt den Zusatz "a" und das Kupplungsmuffe den Zusatz "b".

Bemerkenswert ist, daß die Nabe der Rolle keine Gewindebohrung hat und und auch keinen Einstich aufweist, mit dessen Hilfe das Rad auf der Welle verschoben werden kann. Vielleicht ging man zunächst davon aus, daß die Kupplung nur im Stillstand von Hand zu bedienen sei.

Diese Klauenkupplung No. 76 war laut Inhaltslisten von 1919 - 1923 in folgenden Kasten je 1x enthalten:
  • Nr. 202 Uhrwerk-Motor, als Ergänzung zu Metallbaukasten Nr. 4 bis Nr. 6
  • Nr. 301 Elektro-Motor Starkstrom
  • Nr. 302 Elektro-Motor-Magnet-Licht Starkstrom
Auch der große Dampf-Motor No. 402 hatte eine solche Kupplung, die aber in der zugehörigen Inhaltsliste nicht erschien.

Die Klauenkupplung No. 76 war letztmalig in der Preisliste M129, gültig ab 5. April 1924 aufgeführt.
Die Teile-Nr. 76 wurde 1927 an das Anleitungsheft für Maschinen- und Brückenbau neu vergeben.

Die gleichbleibend Abbildung der Klauenkupplung in den Anleitungsheften No. 71 bis 1923 darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die mit den Motoren ausgelieferte Bauart nach kurzer Zeit erheblich davon abwich.
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20230110-232139-D5#3568kar.jpg
Bauarten der mit den Motoren No. 202, 301, 302 und 402 ausgelieferten Klauenkupplungen No. 76 in eingerücktem Zustand.
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20230110-232216-D5#3570kar.jpg
Klauenkupplungen No. 76 in ausgerücktem Zustand.

Die in den Anleitungen No. 71 abgebildete Ausführung links war anscheinend nur kurz in Gebrauch, denn schon in der Motoren-Anleitung No. 72 von 1919 war sie bei den Motor Abbildungen nicht mehr zu sehen. Wahrscheinlich hatte man schon früh den Nachteil eines fehlenden Angriffspunktes für einen Ausrückhebel erkannt und die bereits produzierten Exemplare dann als Spezialteil verkauft.

Die drei Klauenkupplungen rechts sind von gleicher Bauart mit nur geringen Unterschieden. Das vernickelte 16mm Ø Schnurrad mit Kupplungsnabe ist aus einem Stück Messing gefertigt und hat nun neben der aufgerauhten Schnurrille einen tiefen, etwa 1,7 mm breiten Einstich bekommen.

Die beiden mittleren Exemplare sind bis auf den Zustand der Vernickelungen gleich. Die Muffen sind 14 mm lang, haben 9,0 mm Ø und eine mir nicht bekannte Gewindebohrung (der Gewinde-Ø beträgt 2,85 mm und ist damit möglicherweise ein 1/8" Gewinde).

Die Muffe des rechten Exemplars ist eine spätere Ausführung mit 10 mm Länge und einem BSW 5/32" Standardgewinde.

Als Beispiel für die Verwendung der Klauenkupplung mag das folgende Modell eine Drehkrans dienen, das in sämtlichen Motoren-Anleitungsheften No. 72 von 1919 bis 1936 unter verschiedenen Nummern und mit Beschreibungen unterschiedlicher Länge enthalten ist:
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MMA_1919-02_#72-12.jpg
Seite 12 der Motoren-Anleitung No. 72 von 1919
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MMA_1919-02_#72-13.jpg
Seite 13 der Motoren-Anleitung No. 72 von 1919

Das Aus- und Einrücken der Kupplung wird durch ein in die 'Führungsrille' der Klauenkupplung eingreifendes Lochband besorgt. Die Mechanik wirkt sehr einfach, erfordert aber ein sorgfältiges Zurechtbiegen des Flachbands, wenn die dadurch bedingte zusätzliche Reibung in der Führungsrille gering bleiben soll. Einfacher wäre es, das Lochband in passendem Abstand zum Motor - z.B. durch Unterlegscheiben oder Muttern - zu montieren, aber damals gab es in den MBK keine Schrauben ausreichender Länge.

Nachdem diese Klauenkupplung auch in den späteren Motorenanleitungen bis 1936 zu sehen ist, scheint sie bis zuletzt noch - zumindest mit dem großen Uhrwerk-Motor No. 202 und dem großen Verwandlungsmotor No. 402 - ausgeliefert worden zu sein.

Anmerkung:

In der Rückschau fragt es sich, ob die neue Ausführung der Klauenkupplung als unmittelbar zu den Motoren gehörig betrachtet werden sollte und sie daher keine eigene Teilenummer in den Preislisten hatte, wie es z. B. beim Schaltrad zun An- und Abstellen des Uhrwerk-Motors No. 202 war (siehe Legende Punkt 5. in folgendem Bild).
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MMA_1919-02_#72-08.jpg
Seite 8 der Motoren-Anleitung No. 72 von 1919 mit dem großen Uhrwerk-Motor No. 202

Das hieße, die Einträge der Klauenkupplung No. 76 in die Inhaltslisten der Motoren-Kasten No. 202, 301 und 302 sind ein Versehen und stammen womöglich aus einer sehr frühen (Planungs-)Phase bevor die ausgelieferten Versionen endgültig feststanden.

Ähnliches ist auch bei der Abbildung des großen Dampf-Motors No. 402 festzustellen:
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MMA_1919-02_#72-26.jpg
Seite 26 der Motoren-Anleitung No. 72 von 1919 mit den Einzelheiten der Konstruktion des großen Dampf-Motors No. 402 Teil 1
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MMA_1919-02_#72-27.jpg
Seite 27 der Motoren-Anleitung No. 72 von 1919 mit den Einzelheiten der Konstruktion des großen Dampf-Motors No. 402 Teil 2

Die abnehmbaren Lagerdeckel s) und das gegossene Maschinenbett (wozu r) gehört) hat es allenfalls in den allerfrühesten Kasten etwa Mitte 1919 gegeben. Bis heute habe ich noch keinen Hinweis darauf oder ein Foto davon gefunden, die das bestätigen. Mir sind nur Maschinen mit einem Maschinenbett aus geprägtem Blech mit eingepreßten Messinglagern bekannt.

Trotzdem sind diese beiden Seiten in allen späteren Ausgaben der Anleitung No. 72 bis 1922 unverändert enthalten, 1923 wurde lediglich der Punkt s) gestrichen, ehe es 1925 neue, wirklichkeitsgetreue Abbildungen mit neuer Legende gab.

Gruß
Norbert
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Norbert Germany
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Re: 76 - x - x - x Schnurrolle mit Kupplung / Klauenkupplung

#2400

Beitrag von Norbert »

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Nachtrag:

Ich habe mich noch einmal intensiv mit der kleinen Stellschraube in der Kupplungsmuffe befaßt:
Das Schraubengewinde hat eine Länge von knapp 5 mm und einen Ø von 2,72 mm (nicht 2,85 mm, wie ich schrieb).
Mit einer Gewindelehre habe ich eine Steigung von 48 Gängen/Zoll ermittelt, das sind 0,53 mm für einen Gang.
Außerdem sind die Gewindespitzen abgerundet, was für ein englisches BSW-Gewinde spricht.
Laut Tabelle hat ein BSW-Gewinde mit dieser Steigung aber einen Ø von nur 2,38 mm (BSW 3/32").
Offenbar hat diese Schraube ein Gewinde nach einer eigenen Märklin Werksnorm, was zu dieser Zeit bei vielen Herstellern gang und gäbe war.

Zur Überprüfung habe ich diese Schraube an zwei Muttern, die vom kleinen Dampf-Motor No. 401 stammen, ausprobiert, wo sie auch paßten.

Von einem Schrauberfreund habe ich nun erfahren, daß die Firma Ritter-Restaurationen, auf die hier schon mehrfach hingewiesen wurde, Gewindeschneidwerkzeuge für just dieses Gewinde anbietet.
Deren Größenbezeichnung M 2,8 kann sich allerdings nicht auf ein metrisches Gewinde beziehen, denn diese Größe gibt es in diesem System nicht, sondern das M steht wohl für Märklin.
Die Firma Ritter verkauft auch nachgefertigte Schrauben und Muttern dieser Größe.

Gruß
Norbert
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wdh Germany
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Inzwischen Rentner nach langer Berufstätigkeit als Ingenieur der Elektrotechnik

Re: 76 - x - x - x Schnurrolle mit Kupplung / Klauenkupplung

#2402

Beitrag von wdh »

Norbert,
vielen Dank für Deinen ausführlichen Beitrag! Recht interessant für mich, da ich gerade eine Dampfwalze mit diesem Motor rekonstruiert habe.

Wulf-Dieter
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Georg Germany
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Re: 76 - x - x - x Schnurrolle mit Kupplung / Klauenkupplung

#2443

Beitrag von Georg »

Die Schnurrolle mit Klauenkupplung ist genauso wie die Ritzel mit Klauenkupplung eine Fehlkonstruktion, die nur wenig haltbar ist.
Sowohl in die Kupplung als auch in das Nabenteil der Rolle/des Ritzels sind nur zwei über Kreuz stehende Schlitze gefräst oder gesägt. Das ist sehr einfach und kostengünstig herzustellen und einem einem der beiden Teile in Ordnung. Aber am anderen Teile, dem Gegenstück, sollte ein Steg oder etwas ähnlich Hervorstehendes angebracht sein. Wenn man es ganz toll (teuer) möchte, sogar in Kreuzform. Damit könnte eine Kraftübertragung durch zwei aneinander liegende Flächen erfolgen.
So wie es Märklin gemacht hat, erfolgt die Kraftübertragung nur durch die Spitzen der kleinen Kreissegmente, die bei exakter Lage gegeneinander stoßen. Da kann man sich ausmalen, wie schnell die Ecken abgestumpft werden. Bei den üblichen großen Toleranzen in diesen Teilen ist damit zu rechnen, dass tatsächlich nur eine Spitze (Kante) gegen eine Gegenfläche drückt und ratzfatz verschleißt, rund wird oder abstumpft.
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Schnurrolle mit Kupplung mit Pfeil.jpg
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Das Meccano Pendant "Dog Clutch 144" ist in diesem Falle mit einer "male" und "female"-Version besser gemacht, ist aber insgesamt wegen der fehlenden Ritzel/Schnurrolle nicht direkt zu vergleichen, da dort dafür die "Socket Coupling 171" zusätzlich eingetzt wird.
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
Grüße
Georg

Ich schraube, also bin ich.
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Norbert Germany
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Re: 76 - x - x - x Schnurrolle mit Kupplung / Klauenkupplung

#2444

Beitrag von Norbert »

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Hallo Georg,

aus Maschinenbau-Sicht hast Du natürlich recht, zur Übertragung großer Drehmomente ist diese Spar-Kupplung keine gute Lösung.

Aus praktischer Sicht kann ich hingegen feststellen, die Kupplung ist einfach und funktioniert.

Warum? Weil sie gut zentriert ist und vor allem, weil sie keine großen Kräfte übertragen muß, denn bevor die mitnehmenden Ecken Anzeichen von Verschleiß zeigen, dreht eher eine der beteiligten Stellschrauben auf der Welle durch. Deshalb habe ich wohl auch noch nie eine verschlissene (oder gar abgerissene) Kupplungkrone gesehen.

Ob das nach 10.000 Betätigungen auch noch so ist, kann ich nicht beurteilen, aber dann kann mal auch mal eine solche Kupplung tauschen (muß man beim Auto ja auch).

Für spezielle Fälle gibt es beim Märklin MBK auch noch andere Kupplungselemente, nämlich die Kronräder. Mit ihnen kann man sogar zwei Wellen kuppeln, die einen kleinen Richtungsversatz haben.

Hier eine Kombination von Hundemaul- und Kronrad-Kupplung zur Kupplung einer Hohlwelle an die durchlaufende Welle:
http://metallbaukasten-nkl.magix.net/al ... -99298005/ (und die zwei nächsten Bilder)

Gruß
Norbert
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Hans-Gerd Germany
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Re: 76 - x - x - x Schnurrolle mit Kupplung / Klauenkupplung

#2445

Beitrag von Hans-Gerd »

Hallo Norbert, Georg,

mit Kronrad-Kupplungen habe ich auch gelegentlich experimentiert, bin aber der Meinung, dass man keine großen Kräfte damit übertragen kann - weil sich die Kronräder auseinanderdrücken, wenn man sie nicht mit entsprechend großer Kraft zusammenhält. Und das erzeugt entsprechend Reibung.

Da ist mir die Klauenkupplung deutlich sympathischer, weil man keine große Kraft in axialer Richtung braucht, um sie zusammenzuhalten. Und wie Du schon schreibst - bevor die Klauen verschlissen sind, dürfte sich irgendetwas anderes lösen.

Gruß
Hans-Gerd
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Georg Germany
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Re: 76 - x - x - x Schnurrolle mit Kupplung / Klauenkupplung

#2446

Beitrag von Georg »

Norbert hat geschrieben: 17.01.2023 21:33 .
aus Maschinenbau-Sicht hast Du natürlich recht, zur Übertragung großer Drehmomente ist diese Spar-Kupplung keine gute Lösung.

Aus praktischer Sicht kann ich hingegen feststellen, die Kupplung ist einfach und funktioniert.
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Hallo Norbert,
das ist der Unterschied zwischen der besten, bzw. richtigen Lösung und dem, was im Englischen "fit for purpose" genannt wird. Es tut irgendwie, ist aber eigentlich nichts Gescheites.
Grüße
Georg

Ich schraube, also bin ich.
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