44/44a - 44 - 10044 - 100440 Lagergabel

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Norbert Germany
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44/44a - 44 - 10044 - 100440 Lagergabel

#2419

Beitrag von Norbert »

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Bereits 1904 wurde der Vorläufer dieses Bauteils von Frank Hornby in sein 1902 erfundenen Baukastensystem Mecanics Made Easy unter der No. 102 als Small Bent Strip (Kleiner gebogener Streifen) aufgenommen. Es war nichts anderes, als ein neben dem mittleren Loch beidseitig abgebogenes 5-Loch Band, so daß ein U-förmiges Bauteil zur Lagerung eines Rades entstand (Quelle: nzmeccano.com).

Schon 1906 wurde dieses Teil aus der Teileliste gestrichen, um 1909 in dem nun in Meccano umbenannten Baukastensystem wieder unter der No. 44. als Single Bent Strip (Einfach gebogener Streifen) eingeführt zu werden. Wieso ein Band mit zwei Knicken als einfach gebogen bezeichnet werden kann, verstehe ich so, daß beide abgebogenen Seiten in eine Richtung zeigen (beim Double Bent Strip No. 45, Lagerbock, zeigen sie demnach in zwei Richtungen). Bei dieser Erklärung muß ich manchmal unwillkürlich an Asterix denken.

Die in England gedruckten deutschsprachigen Meccano Anleitungshefte zeigen an vielen Stellen die Hürden einer korrekten Übertragung des englischen Textes in eine Fremdsprache. So wurde dieses Teil in den Inhaltslisten (Einzelteillisten) wie folgt bezeichnet (keine Schreibfehler, sondern Original-Schreibweise!):
1909 noch nicht aufgeführt
1910 Einfacher Biegestreifen (Einfache Biegestriefen)
1911 Einfach gebogene Streifen (Einfach gebogener Streifen)
1912 Einfach gebogene Bänder (Einfach gebogene Bänder)
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1912 #44 Einfach gebogenes Band.jpg
Erste Abbildung von No. 44 Einfach gebogene Bänder im deutschen Meccano Anleitungsbüchlein No. 56 von 1912

In dieser Form war die Lagergabel nur für Räder ohne Nabe zu gebrauchen, wie sie damals bei Meccano üblich waren. Diese Räder konnten durch eine Klemmuffe mit Zunge auf den Achsen befestigt werden, wobei die Zunge als Mitnehmer in eine Aussparung der Mittenbohrung ragte. In der schmalen Lagergabel war für diese Klemmuffe jedoch kein Platz, sodaß nur lose Räder darin gelagert werden konnten. Die Breite der Gabel ist so bemessen, daß eine Meccano 4-kt-Mutter hineinpaßt, sie sich aber nicht drehen kann, d.h. man benötigt keinen Schaubenschlüssel, um die Lagergabel zu befestigen.

1912 führte Hornby bei seinen Rädern die angenietete Nabe mit Stellschraube ein. Aus diesem Grund wurde das Teil No. 44 geändert, indem eine Seite eine Kröpfung erhielt und so eine breitere Öffnung entstand, die ein Rad mit Nabe aufnehmen konnte. Der Name des Bauteils blieb zunächst gleich, wurde aber 1914 in Cranked Bent Strip (Gekröpft gebogener Streifen) und nach 1945 in Bent Strip Stepped (Gestuft gebogener Streifen) umbenannt.


Auch in der deutschen Meccano Anleitung von 1913 wurde noch die alte Bezeichnung benutzt, sie blieb aber länger als in England erhalten:
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1913 #44 Einfach gebogenes Band.jpg
No. 44 Einfach gebogenes Band im deutschen Meccano Anleitungsbüchlein No. 56 von 1913

Nach dem kriegsbedingten Abriß der Verbindungen zu England 1914 wurde diese Bezeichnung in Deutschland weiterhin beibehalten und 1917 von Märklin übernommen. Im Oktober 1918 gab Märklin dem Bauteil dann den Namen Lagergabel, der dessen Funktion perfekt beschreibt.
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1918-10 #44 Lagergabel.jpg
Erstmalige Verwendung der Bezeichnung Lagergabel im Anleitungsbuch No. 71 von Oktober 1918

1921 änderte Märklin unter Beibehaltung von Teilenummer und Bezeichnung die Lagergabel durch Weglassung der Kröpfung in die alte Form, jedoch mit einer Breite innen von 13,5 mm, also etwas mehr als 1/2" = 12,7 mm und einer um ca. 2,5 mm vergößerten Höhe von 31,3 ± 0,2 mm. Ferner wurde in beide Schenkeln je ein weiteres Loch im Normalabstand von 1/2" zum oberen Loch gestanzt.
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1921 #44 Lagergabel.jpg
Neue Form der Lagergabel No. 44 im Anleitungsbuch No. 71, Ausgabe 3 von 1921

In der Abbildung scheinen die Breite der Lagergabel und der Abstand der seitlichen Löcher voneinander geringer zu sein, als es bei der tatsächlichen Ausführung der Fall ist. Trotzdem wurde diese Abbildung in den Teilelisten fast aller Anleitungshefte und Prospekte bis 1941 beibehalten.

1932 überraschte Märklin mit einer neuen Ausführung No. 44a Lagergabel mit Büchse:
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1932-09 M403 #41a Lagergabel mit Büchse k.jpg
Lagergabel mit Büchse in der Teileliste M403 von September 1932 (0932 i)

Die Büchse erlaubt eine feste Verbindung der Lagergabel mit einer Welle, was für manche Anwendung von Vorteil sein kann.
Das Besondere ist, daß die Gabel auf beiden Seiten drei Löcher aufweist, wobei die neuen, unteren Löcher, wie sich später zeigen wird, einen Abstand von 1/4" zu ihren Nachbarn haben. Wenn es diese Ausführung überhaupt je gegeben hat, dann ist sie sehr selten. Mir ist sie noch nie begegnet.
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1934-07 M536-S26 #41a Lagergabel mit Büchse.jpg
Lagergabel mit Büchse in dem 32-seitigen Prospekt M436 von Juli 1934 (R 0734 r)

Hier zeigt die Abbildung die bisher übliche Lagergabel mit zwei seitlichen Löchern und Büchse. Diese Ausführung ist ebenfalls selten, aber sie hat es tatsächlich gegeben.

Nach dem Krieg, ab 1948, war bis zur Einstellung des Metallbaukastenprogramms 1999 nur noch die Lagergabel mit drei seitlichen Löchern ohne Büchse im Progamm:
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1957-06 #17401 #10044 (#44 alt) Lagergabel ohne Büchse.jpg
Lagergabel ohne Büchse in der Liste der Normal- und Spezialteile der MÄRKLIN Metall- und Elex-Baukasten von Juni 1957 (TON 0657 ka)

Als Junge habe ich in den 1950er Jahren oft überlegt, was der Zusatz ohne Büchse bedeutet und mich gefragt, was eine Lagergabel mit Büchse wohl sein mag. Offenbar hat Märklin diese Bezeichnung aus der Vorkriegszeit gedankenlos übernommen und erst 1964 bemerkt, daß der Zusatz sinnlos ist, weil es eine Lagergabel mit Büchse nicht mehr gab.

1996 erhielt die Lagergabel noch die neue Nummer 100440, ehe sie dann vier Jahre später nur noch bei Metallus unter der Nr. 4420-44 zu haben war.

Anbei noch Fotos der fünf Bauarten in der Reihenfolge ihres Erscheinens aus drei Blickrichtungen (die untere Welle dient immer nur als Auflage):
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20230113-230421-D5#3573kar.jpg
Lagergabeln von der Seite betrachtet
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20230113-231647-D5#3579kar.jpg
Lagergabeln von quer dazu betrachtet
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20230113-232236-D5#3584kar.jpg
Lagergabeln von Unterseite betrachtet

Gruß
Norbert

Nachtrag:

Wenn Teile selten sind, ruft das oft Fälscher auf den Plan.

Hier das Beispiel einer offensichlichen Fälschung der No. 44a Lagergabel mit Büchse:
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#44a Lagergabel mit Büchse (Fälschung 2018-06) 01.jpg
Diese Fälschung ist aber gleichzeitig eine Anregung, wie No. 44a durch eine Kombination einer gewöhnlichen Lagergabel No. 44 mit einem Kurbelarm No. 56 technisch gleichwertig ersetzt werden kann. Dazu biegt man die Lochbandführung des Kurbelarms einseitig auf, setzt die Lagergabel ein und biegt die Führung wieder zuück.
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