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63 - 63 - 11718 - 117180 Kupplungsmuffe

Verfasst: 20.11.2023 19:04
von Fichtensteiner
Bei der Sortierung meiner Messingteile ist mir aufgefallen, dass es Muffen mit den gleichen Abmaßen wie Nr. 63 aber mit weniger Bohrungen gibt. Sind das auch Märklinteile oder von einem anderen Hersteller?

Re: 63 - 63 - 11718 - 117180 Kupplungsmuffe

Verfasst: 20.11.2023 19:38
von Georg
Es sind sehr alte Märklin Kupplungen.
Ich habe den Titel Deines Posts mit den Märklin-Nummern versehen, damit die Teilebeschreibung einheitlich bleibt.
Wenn jemand noch das Datum der Änderung weiß, fügt er es als Antwort zu.

Märklin brachte die Kupplung unter der selben Nummer wie Meccano, musste jedoch wegen eines Meccano-Patents ein anderes Lochbild verwenden.
Pech gehabt - es blieb nur noch die zweitbeste Lösung übrig.
Hier das Meccano Patent:
GB191322962A.pdf
und: https://www.nzmeccano.com/63.php

Re: 63 - 63 - 11718 - 117180 Kupplungsmuffe

Verfasst: 20.11.2023 20:04
von märklin_fan
Hier kann ich auch eine zeigen:
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IMG_7597.jpeg

Re: 63 - 63 - 11718 - 117180 Kupplungsmuffe

Verfasst: 21.11.2023 17:15
von Fichtensteiner
Hallo Georg,
vielen Dank für die Info zur Geschichte und die Ergänzungen zum korrekten Titel.
Offenbar führen die Spuren der Vergangenheit immer wieder zu den Meccano-Baukästen, eigentlich fast zu erwarten.
Viele Grüße Wolfgang

Re: 63 - 63 - 11718 - 117180 Kupplungsmuffe

Verfasst: 22.11.2023 03:07
von Norbert
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Hallo Wolfgang, hallo Schrauber,

hier möchte ich die im Verlauf ihrer Historie vorkommenden verschiedenen Ausführungen der Kupplungsmuffe nachzeichnen.

Dazu benutze ich die Abkürzungen:
B = Bohrung mit 4,1 mm Ø
G = Gewindebohrung mit Gewinde BSW 5/32" (BSW =British Standard Withworth = Märklin MBK-Gewinde)
— = keine Bohrung

Eine Kupplungsmuffe (nachstehend einfach Kupplung genannt) ist ein Stück Rundmessing von 3/8" (≈ 9,5 mm) Durchmesser mit 13/16" (≈ 21 mm) Länge und einer Längsbohrung von 0,162" (≈ 4,1 mm) Durchmesser. Dieses 'Rohrstück' hat in drei Ebenen im Abstand von je 1/4" (= 0,635 mm) voneinander eine bis vier Bohrungen B oder G, welche in Längsrichtung ausgerichtet und quer dazu in einem 90° Raster angeordnet sind.

1913 beantragte Frank Hornby ein Patent für eine Kupplungsmuffe mit zwei durchgehenden und drei Gewindebohrungen mit dem Bohrschema:
GB–B | B–BG | G–––
Zur Visualisierung folgende Zeichnung aus Hornbys Patentschrift:
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1913 Hornbys Kupplung.png
1917 erwarb Märklin die bei Kriegsbeginn 1914 beschlagnahmte Meccano Niederlassung in Berlin mit sämtlichen englischen Patentrechten von der Reichsregierung und führte zunächst das komplette Meccano Programm unter diesem Namen unverändert fort. In dem ersten von Märklin 1917 herausgegebenen Anleitungsheft No. 56 wurde die Kupplung No. 63 genau wie in dem von Meccano 1913 veröffentlichen Neuheitenheft dargestellt:
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1917 Märklin Kupplung #63.png
.
Im Juni 1919 wurde im Versailler Friedensvertrag deutschen Firmen verboten ausländische Markenbezeichnungen zu verwenden (Champagner-Paragraph). Das war die eigentliche Geburtsstunde des Märklin Metallbaukastens.

Diese Form der Kupplung wurde zwar bis 1922 von Märklin verkauft, obwohl folgende Version aus patentrechtlichen Gründen bereits 1921 eingeführt worden war:
G-–B | B–-G | G–––
In der Praxis hieß das, die durchgehenden Bohrungen wurden ab jetzt nur noch durch eine Seite geführt. Betrachtet man diese Märklin Kupplung näher, so sieht man, daß der Bohrer bis zur Gegenseite geführt wurde und diese innen angebohrt hat. Es war also für einen versierten Praktiker ein Leichtes, die frühere Durchbohrung selbst herzustellen, ohne daß ein seitliches Auswandern des Bohrers zu befüchten war.

Ein Bild dazu gibt es nicht, da die ungebohrten Rückseiten nie gezeigt worden sind.

1925 führte Meccano die bis heute gebräuchliche Form mit durchgehenden Bohrungen und durchgehenden Gewindebohrungen in drei Ebenen ein:
GBGB | BGBG | GBGB
.
#63 Coupling (Meccano).jpg
Quelle: https://www.meccanoindex.co.uk/Drawings ... Co=U&Pno=0

Es ist dies die am vielseitigsten verwendbare Form, denn damit sind sowohl Längsverbindungen von Lochbändern oder Winkelträgern, als auch eine Zwei-Schrauben-Befestigung auf denselben möglich, um z.B ein tragfähiges Wellenlager in den mittleren Bohrungen zu gewinnen.

Wohl dadurch animiert, führte auch Märklin 1931 eine Kupplung mit 12 Bohrungen ein, die dieses Bohrschema hat:
GGBB | GGBB | BBGG
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1931 Märklin Kupplung #63.png
.
Das ist meiner Meinung nach die unsinnigste Form, die man sich ausdenken kann, denn diese Kupplung hat nicht eine einzige durchgehende Bohrung bzw. Gewindebohrung. Damit wird sie wirklich nur auf eine Kupplung reduziert, abgesehen von Fällen, in denen man zufällig eine Gewindebohrung zur Befestigung nutzen kann.

Das mag zu dieser Zeit aus patentrechtlicher Sicht noch nachvollziehbar sein, was ich aber nicht verstehe ist, daß Märklin 1945, als der Patentschutz nicht mehr bestand, diese Ausführung unverändert fortgeführt hat. Das zeigt m.E. das geringe Interesse der Firmenleitung oder der dafür Verantwortlichen am Metallbaukasten, was nahezu zwangsläufig zu seiner Einstellung im Jahre 1999 geführt hat.

Vielleicht aber war diese Entwicklung früher oder später ohnehin unausweichlich, wie das Beispiel Meccano ebenfalls zeigt.

Gestern ist mein ältester Enkelsohn acht Jahre alt geworden. Er bekam u.a. einen Lego-Triebwagenzug geschenkt, den er nach der beiliegenden Schritt-für-Schritt-Anleitung aus mehreren Dutzend verschiedenen, z.T. winzigen Einzelteilen, in weniger als 30 Minuten zusammengebaut hat.

Das war schön für ihn, aber ich frage mich, wo bleibt der Gewinn für eigene Kreativitä, manuelle Geschicklichkeit und Ausdauer?

Gruß
Norbert

P.S.: Wer sich für die Geschichte des Märklin Baukastens interessiert wird hier fündig: https://www.nzmeccano.com/image-162268

Re: 63 - 63 - 11718 - 117180 Kupplungsmuffe

Verfasst: 22.11.2023 10:55
von märklin_fan
Lieber Norbert,
ich habe mir deine „Geschichte der Märklinbaukästen“ heruntergeladen. Das ist eine tolle Abhandlung, Chapeau.

Re: 63 - 63 - 11718 - 117180 Kupplungsmuffe

Verfasst: 22.11.2023 18:57
von wdh
Hallo Norbert,

vielen Dank für die sehr erhellende Darstellung! Vermutlich hat jeder von uns bereits einzelne Märklin-Kupplungsmuffen zumindest in der Mitte aufgebohrt, um z,B. ein kompaktes Differential damit aufzubauen :-) . Auch Länge ist diskutabel, da die Muffe nicht zwischen Kegel- oder Kronräder passt. Aber wozu gibt es im Keller eine Drehmaschine, mit der man schweren Herzens :( das Teil beidseitig abdrehen kann?
Immerhin waren die Kupplungsmuffen von Walther-Stabil mit nur 2 Gewindebohrungen noch unzweckmäßiger ausgeführt. Aber Walther hatte ohnehin den Zug verpasst durch die viel zu späte Einführung der glatten Wellen und Naben mit Stellschrauben :cry:
Für die Produktpflege und kontinuierliche Verbesserung wollte (oder konnte) man in den 1950ern und auch später wohl nur wenig Geld aufwenden, solange sich die Baukästen auch so leidlich verkaufen ließen. Zum Ende der Ära wurden ohnehin die Verkaufspreise extrem und weit oberhalb der Inflationsrate angehoben, so dass die Käufer zu den Kunststoff - Steckklötzchen innovativer Hersteller getrieben wurden.
Wie wenig ernst selbst heute noch die Fa. Märklin die Ära der Metallbaukästen nimmt, ist im ansonsten reich ausgestatteten Märklineum zu erkennen: Dort ist nicht einmal ein Baukasten 105 / 1015 ausgestellt!
Auch den Übergang von soliden (und zum Schluss viel zu teuren) Spielzeugbahnen hin zu fortschrittlichen Modellbahnen auch für Sammler (Röwa, Fleischmann, Roco, Liliput) hatte ja die Fa. Märklin anfangs recht überheblich komplett verschlafen (wie man heute so gern sagt). U.a. dadurch wäre man fast in die endgültige Insolvenz gestolpert! Immerhin hat sich diese Haltung inzwischen gründlich geändert.
Ich freue mich immer wieder über Artikel aus den 1950 - 1960ern in der für diese Zeit unerreicht hohe Qualität der Märklin-Produkte 8-)
Ein Blick in die farbig :!: gedruckte Bauanleitungen 71z, Ausgabe 47(!) und 171 mit den vielen Kult-Modellen darin oder auch das Fahren mit dem H0 - Klassiker 44 (G 800, GN 800, 3027) ist doch stets wieder eine Freude :D oder?

Beste Grüße von
Wulf-Dieter